DAS RÖMISCHE WALLSEE


LIMESKASTELL „ADIUVENSE“ Prof. OSR Elmar Tscholl
Aktualisierte 2. Auflage 2001


Fundamente eines Römerturmes in Wallsee:


Von den ansprechenden Werbeprospekten des Fremdenverkehrsvereines kennen wir Wallsee als schönen Ort an der Donau, der über diverse Sportanlagen, wie Fußballplatz, Tennisplätze, Beachvolleyballplätze, Skaterplatz über Wassersportzentrum, viele Wanderwege, Donauradweg, Sportfischereiplätze, bis zu Gasthäusern, die sich besonders der Betreuung der Radfahrer annehmen, so gut wie alles hat, was einen Fremdenverkehrsort auszeichnet.
Hier aber soll das andere Wallsee vorgestellt werden, das geheimnisvolle, weit in die Geschichte zurückreichende Wallsee, das sich in den letzten Jahrzehnten schrittweise seine geheimnisvolle Vergangenheit abringen ließ.
Ich erinnere mich noch ganz deutlich daran, wie stark uns bei einem Schulausflug Wallsees Lage auf einer gegen die Donau vorragenden Landzunge beeindruckte, von wo man aus 50 m Höhe das Strombett gut übersehen kann. Berührt waren wir von dem auf dem steilen Sandsteinfelsen aufragenden Habsburgerschloß. Wir fühlten, dass Wallsee ganz anders war als alle Orte im Mostviertel.
Es hatte so viele Besonderheiten und eine eigenartige Ausstrahlung, die nur einem Ort mit sehr viel Tradition innewohnt.
Was ich damals unmittelbar und instinktiv fühlte, wurde mir in den 40 Jahren meines ständigen Aufenthaltes in Wallsee von Mal zu Mal stärker bewußt. Ich möchte hier einige der hervorstechendsten Auffälligkeiten aufzeigen, die mich zum Nachforschen angeregt haben, denn sie führten mich in die früheste Vergangenheit zurück.

VIELE TÜRME, WO ABER STEHT DIE PFARRKIRCHE?
Ganz gleich, von welcher Seite man auf Wallsee zukommt, ob von Strengberg, oder von der neuen Autobahnabfahrt in Oed oder über die Altarmbrücke von der Donauseite her, überall fallen die vielen Türme ins Auge, die aus der Dächerschar aufragen. Da ist zuerst der überragende Turm des Habsburgerschlosses mit seinem grünen Turmhelm und seiner umlaufenden Balustrade. Dann in seiner Nähe der Turm der St. Anna-Kapelle mit seiner rötlichen, neugotischen Turmpyramide, die von der Mühlsteinbrecherzunft im 18. Jahrhundert auf einem Vorgängerbau des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. Schließlich der aus der Marktplatzmitte aufragende, besonders schmucke Turm mit einem verhältnismäßig kleinen, angebauten Haus. Von vielen Besuchern nach dem ersten Eindruck für eine evangelische Kirche gehalten, springen doch am Turm die schmucke Fassade, die Uhr, die mit Holzjalousien verkleideten „Glockenstubenfenster“, der Turmhelm und seine Spitze besonders ins Auge.
Jedoch der Turm gehört nicht zu einer Kirche, sondern zum Rathaus, dessen Erdgeschoss noch 1966 als Zeughaus der Feuerwehr, die Spritzen und Löschgeräte beherbergte. Der Turm war seiner Funktion nach ein Trockenturm für die Hanfschläuche der Feuerwehr nach Übung und Einsatz. Fremde wundern sich, warum man für diesen profanen Zweck den Turm so luxuriös ausgestattet hat.
In allen Orten des Mostviertels scharen sich die Häuser um die Kirche als Ortsmitte. Wallsee hat trotz der „vielen Türme“ keine Kirche im Ort. Die Pfarrkirche liegt gut 1 km südlich des Ortes auf einer einsamen, aber beherrschenden Höhe in Sindelburg.
Warum liegt die Pfarrkirche so weit weg von den Häusern des Marktes entfernt?
Durch Zufall gab Wallsee eines seiner Schlüsselgeheimnisse im Jahre 1966 preis. Bei der Errichtung eines Kanals in der alten Schulgasse bestand ich darauf, dass das Überwasser der Senkgrube der Schule (jetzt Kindergarten) an diesen angeschlossen wurde.
Der Bagger begann an der Ostgrenze des Grundstückes in der Flucht der Nordwand des alten Schulgebäudes die Künette zu graben. Am Nordosteck, da wo jetzt die Stiege zum Kindergarten hinaufführt, konnte der Bagger nicht mehr arbeiten. Man vermutete, dass hier ein „Felsen“ das Hindernis sei. Ich wußte aber aus der Schulchronik, dass sich vor vielen Jahren auf dieser Seite des Gebäudes ein Obstgarten befand. Ich verlangte, dass man ein Stück weiter gegen Westen erneut zu baggern versuchte. Tatsächlich konnte der Baggerlöffel in das Erdreich eingreifen, und er beförderte schwarze Erde und große, behauene Konglomeratquadern an die Oberfläche. Die Arbeiter versuchten nun händisch, den „Felsen“, der auf 2 ½ Metern hinderlich war, abzustemmen. Da dies wegen der Härte nicht gelang, holte man ein Preßluftgerät, das aber auch fast 1 ½ Tag brauchte. Ich sah, dass dieser „Felsen“ eine mit Heißkalkmörtel gebundene Bruchsteinmauer war. Ich dachte mir zuerst nichts weiter dabei, bis der Nachbar in 60 m Entfernung im Norden beim graben seines Kanalanschlusses gleichfalls auf diese Mauer traf. Bei der Verfolgung des möglichen Verlaufes erkannte ich, dass sich darüber errichtetes modernes Mauerwerk typisch verhält: Es treten überall dort, wo die im Boden gefundene Mauer unter dem modernen Mauerwerk durchgeht, auffällige Sprünge auf. Sie zeigten sich knapp über dem Boden als feine Haarrisse, die sich bis zum Dach hinaufziehen und dort oben am auffälligsten sind.
Mit dieser Hilfe konnte ich unter dem ganzen Markt den Verlauf der Mauer erkennen. Sie ergab ein Geviert von 160 x 200 m und reichte vom Kindergarten zur Annakapelle, von dort unter die Werkstätte Tischlerei Patzalt, von da zur ehemaligen Werkstätte Installateur Greinstetter und bis zum Kindergarten zurück. Durch Grabungen und gezielte Beobachtungen bei notwendingen Bodenaufschlüssen konnte in der Folge der genaue Verlauf der Kastellmauer nachgewiesen werden. Die pflichtgemäß herbeigeholten Fachleute des Bundesdenkmalamtes und des archäologischen Institutes der Universität Wien bestätigten, dass es sich um ein bisher unbekanntes Kastell für 1.000 Soldaten handelt.
Nach dieser Feststellung war es klar, warum die Kirche in Sindelburg als Nachfolgerin des antiken Heiligtums außerhalb der Kaserne (Friedenszeiten) oder der Festung (Kriegszeiten) liegen mußte! In keinem Kastell des röm. Weltreiches befand sich ein Tempel (Verehrungsstätte einer Gottheit) innerhalb einer Festung, denn das laute Treiben, das Rufen und Schreien beim Exerzieren und gar die Flüche hätten die notwendige Ruhe für Besinnung, Gebet und Opfer gestört!
Das optische Manko des Fehlens einer Kirche als Ortsmitte glichen seinerzeit die Bürger mit der Errichtung des schmucken Trockenturmes in der Mitte des Markplatzes aus!

DIE RÖMISCHE FESTUNG
Die Festungsmauern dieses Kastells waren imponierend. In antiker Zeit wurden in den Boden mächtige Grundfesten bis zu 2,1 m Dicke und 1 m Tiefe ausgehoben und mit fest vermauerten Bruchsteinen ausgefüllt. Darauf wurde aufgehendes Bruchsteinmauerwerk, 6-8 m hoch und auf der Mauerkrone noch 1,5 m breit, aufgesetzt, damit die röm. Wachen in Rüstung aneinander vorbeipatroullieren konnten. Die Vermauerung der Bruchsteine, es handelt sich um einen grün und rot gesprenkelten „Granit“, der in Wallsee nicht vorkommt, erfolgte mit Heißkalkmörtel. Der Kalk wurde offensichtlich aus eingesammeltem Donauschotter gebrannt. Darauf weisen zahlreich gefundene, mit Glas überzogene, quarzhältige Geröllsteine hin.
Der Verlauf der Kastellmauer ist im Ortsgebiet auf dem Boden mit grüner Farbe gekennzeichnet. Ein Stück der Festungsmauer ist in der Art eines „Fensters in die Vergangenheit“ nach ihrer Freilegung (1989) auf dem Gelände des Kindergartens zu besichtigen. Wallsee ist der einzige Ort in West-Niederösterreich, wo man Grundfesten einer römischen Befestigungsanlage sehen kann. (Anmeldung für eine Besichtigung beim Gemeindeamt, Tel. 07433/2216 oder 2380).

FESTUNGSGRABEN und Wall (VALLUM)
Außerhalb der Festung bildete ein an der Krone 12,5 m breiter und ca. 2,6 m tiefer Spitzgraben einen zusätzlichen Schutz. Diese Erkenntnisse wurden 1989 anläßlich der Notgrabung im Kindergartenbereich gewonnen.
Heute geben die beiden „Hintergassen“, die alte Postgasse westlich des Marktplatzes und die alte Schulgasse östlich, den Verlauf des Grabens an. Das Haus Markplatz 4 (Mikesch) am Nordende des Markplatzes steht noch heute, tiefer als alle anderen Häuser, in diesem Festungsgraben.

RÖMISCHE TRUPPEN und BAUPERIODEN DES KASTELLS
Vor 2.000 Jahren – zur Zeit von Kaiser AUGUSTUS – breitete sich das röm. Weltreich, das der Träger der abendländischen Kultur war, bis an die Donau (DANUVIUS) aus. Unser Gebiet – damals ein Teil des keltischen Königreiches NORICUM – wurde um 15 v. Chr. römisches Protektorat und unter Kaiser CLAUDIUS (41-54 n. Chr.) kaiserliche PROVINZ. Es war durch 500 Jahre ein Teil des römischen Reiches. Aus kaiserlichen Provinzen rekrutierte der Kaiser Soldaten (MILITES) für eine 25-jährige Dienstzeit und setzt sie als sogenannte „Hilfstruppen“ (AUXILIARES) zum Schutz der Handelswege der Städte und Märkte und anderen röm. Niederlassungen ein.
Der in viele Seitenarme gegliederte Donaufluß (DANUVIUS) bildete einen wichtigen west- östlichen Handelsweg. Ihn schützte in unserem Abschnitt eine 1.000 Mann starke Fußtruppe (COHORS) aus BRITANNIEN; die hier im 1. Jhdt. das erste Holz- Erdekastell erbaute. Ihr Name war: Cohors PRima AUgusta BRitonum (das heißt: Fußtruppe, „Spezialeinheit“, Kaisername, aus Britannien.

Der Truppenstempel C.PR.AU.BR findet sich auf zahlreichen, damals von den Soldaten gebrannten Dachziegeln.
Gegen Ende des 2. Jahrhunderts sickerten nördlich der Donau germanische Stämme ein. Um 160 n. Chr. überrennen die germanischen MARKOMANNEN die in Holz- Erdebauweise errichtete Festungsanlage und stoßen bis zur Handelsmetropole
AQUILEIA an der Adria vor.
Bis 180 n. Chr. wurden die Markomannen wieder nördlich der Donau „zurückgedrängt“ und das südliche Donauufer als nördliche röm. Reichsgrenze zum DONAULIMES ausgebaut.
Die zerstörte alte Festungsanlage wird von kaiserlichen Fußsoldaten (MILITES) aus Britannien einer Cohors I. (prima) Aelia Britonum (das heißt: Fußtruppe, „Spezialeinheit“, Kaisername, aus Britannien. Truppenstempel: CIAB in Steinbauweise wieder aufgebaut und der Grenzschutz bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts übernommen.
In Enns- Lauriacum (BLABORIACO) errichtete gleichzeitig die im italischen Mutterland ausgehobene senatorische Truppe der zweiten italischen Legion (Leg. II. Ital.) im überschwemmungsfreien Gelände ein großes Steinkastell für 6.000 Mann (Sollstärke). Diese übernimmt das militärische Kommando. Bautrupps der Leg. II. ital. helfen in Wallsee beim Aufbau wie Truppenstempel zeigen.
In der Spätantike in VALENTINIANISCHER Zeit (Ende d. 4. Jhdt.) wurden an die restaurierten Lagermauern Hufeisentürme und an den Ecken Fächertürme angebaut um gegen die neuen Angriffsstrategien gerüstet zu sein. Nördlich der Tischlerwerkstätte Patzalt (Markplatz 25) wurde im Bereich des Nordwesteckes der Festung ein Teil eines solchen Fächerturmes geortet.

DAS LAGERAREAL (Lagerinnere)
Jede röm. Festung (Legionslager oder Auxiliarkastell) hatte eine im ganzen röm. Reich gleiche, etwa rechteckige Form mit einer bestimmten Einteilung. Sie entstand aus der Anordnung der Truppe, wenn sie nach dem Tagesmarsch ihr Nachtlager aufschlug. Das Lagerareal teilen zwei Achsenstraßen (VIA PRINCIPALIS und VIA DECUMANA) in Viertel. Die eine dieser Achsenstraße wird in Wallsee heute noch durch die in nord-südlicher Richtung durch den Marktplatz verlaufende Landesstraße gebildet. Die dazu im rechten Winkel führende andere Achsenstraße ist nicht mehr so genau sichtbar. Sie führt gegen Westen und ist als schmaler, ca. 1,2 m breiter „Durchgang“ zwischen dem Kaufhaus Glaninger (Marktplatz 20) und der Fleischhauerei Sengstbratl (Marktplatz 21) erhalten. Nach Überschreiten des „Grabens“ in der alten Postgasse führt sie dann ebenfalls als schmaler Weg steil über den Hang gegen Westen. (In röm. Zeit eine der Ausfallsstraßen aus der Festung).

Im Jahre 1970 wurde beim Bau des dort errichteten Hauses Nr. 106 (Feuerstein) eine röm. Straßengabelung festgestellt. Die Ausfallsstraße bog hier gegen Süden zum donauaufwärts liegenden Burgus (Wachtturm) ab. Der zweite nach Westen orientierte Ast der Straßengabel führte zu einem in sumpfigem Gelände gelegenen spätantiken Begräbnisplatz mit bisher festgestellten 23 Bestattungen einfacher Leute auf Parzelle 244/3 (Grundstück des Hauses Nr. 105, OSR Prof. E. Tscholl).
Der östliche Teil dieser Achsenstraße ist nicht so leicht zu finden. Er führt zwischen der Bäckerei Wiesinger, (Hauptplatz 10) und dem Gasthaus Neulinger, (Hauptplatz 11) zuerst durch den Hof des Gasthauses, dann aber ebenfalls als sehr schmaler Durchgang zwischen den Hausgärten hindurch und mündet in die Schulgasse (ehemals östlicher Lagergraben). Die Fortsetzung gegen Osten ist im Gelände nicht mehr sichtbar. Dazu muss man den Katasterplan zur Hand nehmen.
Zwischen den beiden Häusern Nr. 52 (Gruber) und Nr. 51 (Patzalt, früher Bachinger) führte eine ganz schmale ehemalige Straßenparzelle bis zu einem etwa quadratischen Grundstück am steil abfallenden Hang, wo sich eine kleine flache Höhle im Sandsteinfelsen befindet. Auf diesen Teil werden wir später im Kapitel Kult noch zurückkommen müssen.
In der Mitte des Kastells, am Schnittpunkt der beiden Achsenstraßen befanden sich die PRINCIPIA, die Kommandogebäude als Sitz des Truppen-kommandanten und des Lagerkommandanten, als Standort der Waffenkammer mit Fahnenheiligtum und obligater Kaiserstatue, der Offizierswohnungen, des Truppenbades usw.
In Wallsee konnte in der Mitte des Kastells, zum Teil unter dem Rathaus, zum Teil östlich davon, diese PRINCIPIA beobachtet werden. Es hat sich seit der Römerzeit in diesem Belange nicht viel geändert. Auch heute noch steht in der Mitte des Platzes (Lagerareal) das Rathaus als Sitz der politischen und verwaltungsmäßigen Macht.
Der Verlauf der bisher ergrabenen Mauern der Principia ist im Umkreis des Rathauses in grüner Farbe auf dem Boden markiert.
Auf dem übrigen Raum des Lagerareals befanden sich die meist aus Holz oder Lehm erbauten Soldatenunterkünfte und der Appellplatz.
Viel von dem aufrechten römischen Mauerwerk wurde in nachrömischer Zeit als Baumaterial, zuerst für die Sunilburg, dann für die „Feste Niederwallsee“, den Kern des jetzigen inneren Schlosses (mit 5 m dicken Grundmauern), verwendet. In den alten Häusern von Wallsee kommen bei Umbauten und Abbruch immer wieder solche Zeugnisse zutage.
Im Laufe von etwa 2000 Jahren hat sich über den erhaltenen röm. Mauerresten eine Schicht von 120 cm „ABBRAUM“ angesammelt, sodass der Eindruck entsteht, als seien die römischen Anlagen „versunken“. Außerhalb des Ortes liegen die röm. Schichten nur 60-80 cm unter dem gegenwärtigen Geländeniveau.
In nachvalentinianischer Zeit (4.-5. Jhdt.), als der Truppenbelag in den Limeskastellen drastisch vermindert wurde, erbaute die Truppe im Lagerbereich ein KLEINKASTELL, und der übrige Raum des Lagers wurde für die Zivilbevölkerung als Siedlungsplatz freigegeben. Dieses RESTKASTELL hat sich nach den Beobachtungen und der Grabung 1987-1989 in einem Ausmaß von 28x26 m im Bereich der alten Volksschule (jetzt Kindergarten) befunden. Um freies Schußfeld zu haben, wurde im Umkreis von 40-60 m jedes Bauwerk entfernt. Außerdem befand sich innerhalb dieses Restkastells ein ausgezeichneter Brunnen (Brunnen der alten Schule).
Das Nordwesteck dieses Restkastells wurde 1989 freigelegt, es ist in der Art eines „Fensters in die Vergangenheit“ auf dem Gelände des Kindergartens zu besichtigen, wie schon bemerkt wurde.

WARUM GERADE IN WALLSEE EIN KASTELL?
Seit der Entdeckung des Kastells (1966) wurde von Fachleuten öfter die Frage ventiliert, warum gerade hier eine röm. Festung errichtet worden ist, zumal ein weiteres Kastell, knapp 10 km südöstlich in Mauer an der Url (LOCUS FELICIS) schon lange bekannt war.
Die Ausgrabungen in den letzten 10 Jahren in MITTERKIRCHEN (im Machland Nord) in Oberösterreich, gegenüber von Wallsee, haben ein großes hallstattzeitliches Gräberfeld zutage gefördert. Es ist anzunehmen, dass sehr lange Zeit ein mächtiger germanischer Stamm dort sein Wohngebiet hatte.
Mit dem Kastell ADJUVENSE konnte Rom Stärke demonstrieren. Überdies hat es sicher später als östliches Flankenkastell für das Lager in ALBING und dann für LAURIACHUM (Enns-Lorch) fungiert.

WEITERE RÖMISCHEBEFESTIGUNGSEINRICHTUNGEN
Die ausgezeichnete Lage des Kastells auf einer gegen die Donau vorgeschobenen Landzunge mit Steilabfall gegen Osten und Westen zum Schwemmland der Donau sowie dem Schutz des Sandsteinfelsens im Norden (wo jetzt das Schloß steht) machten eine Verteidigung leicht. Nur gegen Süden mußten künstliche Annäherungshindernisse geschaffen werden. Es waren dies zwei. Einmal ein tiefer GRABEN, der sogenannte TIEFENWEG, dort führt heute die Landstraße 6097 nach Ardagger, die bei der Hauptschule nach Osten abzweigt. Noch im Jahre 1966 war der „Tiefenweg“ so tief, dass man als Autofahrer beim Herankommen an das Altersheim im Süden nur die Spitze des Kirchturmes von Sindelburg und im Norden einen Hang mit Birnbäumen sehen konnte. Erst kurz vor der Einmündung in die Straße nach Wallsee überwand man plötzlich eine Geländestufe auf das heutige Niveau der Straße.
Damit unsere Schulkinder, die im Bereich der neuen Volks- und Hauptschule (seit 1986) durch diese ungünstigen Gelände- und Sichtverhältnisse durch Autos nicht gefährdet würden, regte ich an, mit dem damals überreichlich vorhandenen Donauschotter (Kraftwerksbau), den Tiefenweg zuschütten zu lassen. Dies geschah dann auch. Unbewußt habe ich damit ein antikes Festungswerk zerstören geholfen. Der östliche Teil des Tiefenweges ist jedoch noch erhalten und der Hausname „Tiefenwegner“ erinnert noch daran.
Das zweite Annäherungshindernis, diesmal ist es ein WALL. Er befindet sich unter dem MITTERWEG, etwa in der Mitte zwischen dem Markt und dem Tiefenweg. Er zweigt kurz nach der neuen Feuerwehrzentrale nach Osten ab. Er wurde anlässlich der Erschließung des Geländes als Bauland abgetragen und als Zufahrtsstraße zu den Häusern asphaltiert.

STRASSEN
Nach dem Scheitern der Angriffsoperationen der Römer zur Eroberung und Einverleibung Germaniens unter Kaiser Oktavianus Augustus (27 vor bis 14 nach Christus) und seinem Stiefsohn Tiberius (14-37 nach Chr.) wurde der wichtigste westöstliche Handelsweg, die Donau (DANUVIUS), die von Schiffen und Flößen zum Waren- und Truppentransport verwendet wurde, Grenzfluß des Reiches.
Entlang dieses Grenzflusses gegen Germanien errichteten die Römer im Laufe der Zeit in der Provinz NORICUM (Ober- und Niederösterreich) eine Kette von größeren und kleineren Festungen und dazwischenliegenden „Wachttürmen“.
Die einzelnen Festungswerke in unserem Gebiet waren dies das große Legionslager in Albing (Enns-Donauwinkel), später das Folgelager in Lauriacum (Enns-Lorch), dann unser AUXILIARKASTELL (Hilfstruppenlager) ADJUVENSE (Wallsee) und die bisher bekannten z.T. dazwischen liegenden BURGI (Wachtürme) in der Engelbachmühle (Strengberg) und der 1990 neu entdeckte BURGUS in SOMMERAU (Sindelburg). Sie waren durch VIA (Wege) miteinander verbunden. Von den Kastellen führten Straßen (VIA STRATA) ins Landesinnere, wo etwa auf der Terrasse der Autobahn (in unserem Bereich) die strategische Heeresstraße verlief, die für die Versorgung der Truppe und den Truppentransport in Kriegszeiten zur Verfügung stand. Von Wallsee führte eine Straße gegen Westen, die bei der Beschreibung des „Durchganges“ genannt ist.
Eine Straße mit zwei nebeneinanderliegenden, in den Sandsteinfelsen gehauenen 1,2 m breiten Geleisen wurden in dem Gäßchen (Nur für Anrainer!) zwischen dem Haus Prucha (Nr. 68) und dem Haus Woisitzschläger (Nr. 72) festgestellt. Sie führte gegen die Donau hin bis zur Ziegelei nördlich des Hauses Feischl (Ufer 34).
Eine ebenfalls in den Sandsteinfelsen gehauene Geleisestraße führte in südöstlicher Richtung vom Kindergarten (Südosteck des Kastells) am Haus Kriener (Nr. 75) vorbei. Sie verlief westlich der „Krautäcker“ und schnitt den Tiefenweg an seinem östlichen Ende.
Die Fortsetzung dürfte am Ostabhang des Hummelwaldes in Richtung zum 2,5 km entfernten nächstgelegenen BURGUS in Sommerau führen.
Eine wichtige Straße war die vom Südtor (Südende des Marktplatzes) hinauf zum röm. Heiligtum am Platz der Pfarrkirche Sindelburg. Entlang dieser Straße sind nach röm. Brauch die Grabdenkmäler (STELEN) der einflußreichen oder reichen röm. Soldaten und Bürger gestanden. Viele der im Museum befindlichen röm. GRABSTEINE hatten dort ihren Standplatz, bevor sie als Bausteine oder Grundfesten für die Kirche, das Schloß, die Schule oder in sonstigen Häusern Verwendung fanden.

ZIVILSIEDLUNG (VICUS)
Südlich des Kastells, also südlich des Marktplatzes bis etwa zur Straße nach Ardagger, erstreckte sich das Lagerdorf, die Zivilsiedlung. Darin wohnten die zivilen Handwerker, die Händler, die Familien der Soldaten und die Veteranen. Einzelne von ihnen erbauten sich sogar gemauerte Häuser, die Verputz, Ziegelrhombenpflaster und Bodenheizungen hatten.
Die römische und romanisierte Bevölkerung des VICUS versuchte so zu leben wie ihre Verwandten in Rom! Sie verwendeten das teure, rotglänzende Importgeschirr, die TERRA SIGILLATA.
Die TERRA SIGILLATA, das „PORZELLAN DER RÖMER“ wird in der Archäologie zur Datierung eines Fundes herangezogen. Diese teure Importware, die im 1. Jahrhundert aus Oberitalien (Arezzo- APPLIKENSIGILLATA) und im 2. Jahrhundert aus Süd-, Mittel- und Ostgallien (Frankreich) und dann im 3. Jahrhundert hauptsächlich aus dem Rheingebiet (Rheinzabern) kam, konnten sich nur Vermögende leisten.
Denn schon der Brennvorgang verlangte für 1m3 Brennraum in den acht Tagen Brenndauer etwa 64 m3 Holz. Dazu kamen noch die Löhne und die Verdienstspanne sowie die Einrechnung des Bruches beim Transport!
Es gab glatte Ware, Ware mit erhabenen Auflagen (APPLIKEN) und Schüsseln mit RELIEFVREZIERUNGEN, Bildern aus dem Zirkusleben, der Mythologie und der Erotik.
Eine billigere Qualität war nur auf einer Seite mit dem glänzenden Überzug (ENGOBE) versehen (Glanztonkeramik). Darunter fallen die „Soldatenteller“ (Backplatten), die Reibschüsseln (MORTARIEN), die Aufrahmschüsseln (SATTEN), Becher usw.
Im 4. und 5. Jahrhundert gibt es keine Sigillataproduktion mehr.
Eine neue, gehobene Ware kommt da schon aus dem Osten, aus PANNONIEN. Es ist dies eine bräunlich und grünlich glasierte Ware. Reste dieser Keramik wurden und werden immer wieder bei Grabarbeiter hier gefunden. Die Sammlung Tscholl (im Römermuseum), zeigt alle bisher gefundenen Sigillata- Gefäßtypen in restauriertem Zustand.

GEBRAUCHSKERAMIK
Hauptsächlich aber verwendete man für den täglichen Gebrauch die billigere, derbe, grau und gelblich gebrannte Ware, wie sie der einheimische Töpfer erzeugte oder wie sie aus größeren Werkstätten, z.B. aus LAURICUM (Enns-Lorch) oder CETIUM (St.Pölten) oder OVILAVA (Wels), angeliefert wurde.
Sie kommt in Wallsee überall in großen Mengen im Boden vor, besonders dort, wo Überreste von Häusern oder ganze Siedlungen waren, z. B. in einem 10 Meter langen Abfallgraben auf der Bauparzelle von Dr. Kukla (Nr. 150).
Im Übersichtsplan sind nur die Fundplätze von Häusern eingetragen, die Steinfundamente hatten. Häuser aus Holz oder Lehm, die bestimmt in der Mehrzahl vorhanden waren, müßten durch vorsichtige archäologische Grabung aufgedeckt werden.
Im Bereich der Zivilsiedlung wurde ein Töpferofen gefunden, der zeigt, dass auch der Töpfer im VICUS von ADJUVENSE (Wallsee) ansprechende Ware herstellte.

GEWERBEKERAMIK
Sie wurde in Spezialtöpfereien (FABICAE) hergestellt und war nicht für die Verwendung im Haushalt, sondern für Gewerbebetriebe bestimmt. Die Gefäße waren größer, härter gebrannt und aus speziellen Tonmischungen hergestellt.
Dazu zählen z.B. die AMPHOREN. Sie waren die Container der Antike. In Ihnen wurden fast alle Waren vom Wein und Öl über Getreide bis zu Metallen transportiert, hauptsächlich per Schiff, aber auch auf dem Landweg. Man mußte für diese „Gebinde“ Einsatz zahlen. Deshalb gingen die Leergefäße zurück, wenn sie unversehrt waren! Nur wenn sie brachen, finden wir heute Überreste. Nach Form und Größe und eventuellen Stempeln gab es Spezialbehälter. Aus dem Fragment einer 1989 gefundenen Amphore geht eindeutig hervor, dass nach ADJUVENSE Olivenöl aus Spanien geliefert wurde.
Die größten Schüsseln des röm. Weltreiches fand man in Wallsee!
Eine einmalige Entdeckung gelang im Jahre 1978. Bei Aushubarbeiten für das Arztwohnhaus Dr. Moser (Wallsee Nr. 83) kam ein römischer Keller mit entsprechendem KERAMIKFUNDMATERIAL (Gewerbekeramik) zum Vorschein, der aus der Form der Gefäße den sicheren Schluß zuläßt, dass in der antiken Zeit ein wohlhabener Mann hier einen milchverarbeitenden Betrieb geführt hat, in dem in riesigen Aufrahmschüsseln von fast 1 m Durchmesser Topfen und Käse erzeugt wurde. Wir würden heute kurz MOLKEREI dazu sagen. Der Mann war so wohlhabend, dass er sich neben einer Bodenheizung drei verschiedene Arten von Terrazzoböden, Wandmalerei und eine sehr schön gearbeitete MARMORSTATUE, eine Gottheit darstellend, leisten konnte.
Seither wurde an anderer Stelle eine weitere solche Riesenschüssel gefunden (Haus Nr. 150, Dr. Kukla, 1985).
Ein anderer Gewerbebetrieb, in dem das Ausgangsmaterial für die Herstellung des Terrazzo- Estrichs, der Ziegelsplitt, hergestellt wurde, wurde beim Baugrubenaushub des Hauses Nr. 96 (Malermeister Mistlberger) in der Josefsiedlung gefunden. Hier lagen große Mengen feinst gesiebten Ziegelsplittes unter dem Humus.

ZIEGELEI (FIGULINA)
Im Nordwesten des Marktes befand sich in antiker Zeit eine ausgedehnte ZIEGELEI mit Ziegellagerplatz, die sowohl von einem privaten Besitzer PETRONIUS als auch von röm. Soldaten betrieben wurde (Grundstück Ufer 34, oberhalb des Hauses Feischl).
In den Ziegeleien wurden hauptsächlich DACHZIEGEL hergestellt, denn nur hart gedeckte Gebäude boten Schutz gegen Brandpfeile.
Es gab zwei Arten von Dachziegeln, die pfannenförmigen Leistenziegel TEGULA und die halbrunden IMBRICES. 1 m2 Dach wog im trockenen Zustand 80 kg! Der untere Rand eines jeden Dachziegels wurde mit dem „antiken Handzeichen“ versehen. Es war dies eine mit dem Finger in dem weichen Lehm angebrachte Markierung in Strich-, Dach-, Schlingen- oder Bogenform, die anzeigte, welche Seite des Ziegels beim Verlegen nach unten schauen mußte, damit das Dach dicht war.
Für militärische Bauten wurden auch große, dicke Ziegelplatten erzeugt (LATER 45x33x5 cm SEMILATER 22x33x5 cm).
Sie wurden nach den Beobachtungen in Wallsee nur zur Abdeckung des Bodens in militärischen Gebäuden, zur Abdeckung der Kastellmauerkrone und in der Ziegelei verwendet.
Kleine quadratische Plattenziegel (18x18x3 cm) fanden als Gewölbeziegel Verwendung.
Eine Spezialität, die eine mit Glimmer versetzte Lehmmischung verlangte, waren die Heizröhrenziegel (TUBULI) die als Rauchabzug für Unterbodenheizungen (HYPOCAUSTEN) dienten. Diese Art der Heizung konnten sich nur die gehobenen Schichten leisten. Allgemein verwendete man zur Raumheizung Holzkohlebecken oder offenes Herdfeuer. Als Bodenpflaster im Wohnbereich erzeugten die Ziegeleien Rhombenpflastersteine, die in verschiedenen Mustern verlegt werden konnten.

KULT - RELIGION
Wie eingangs festgestellt, befand sich schon zur Römerzeit das Heiligtum außerhalb der Kaserne bzw. der Festung.
Wir wissen nicht, welche Gottheit dort verehrt wurde. In den Städten und den großen Legionslagern mit röm. Bürgern als Militär war es die Göttertrias JUPITER, JUNO und MINERVA. In den kleineren Auxiliarkastellen brachten in der Spätantike die orientalischen Einheiten ihre orientalischen Gottheiten mit. Seit der Auffindung eines Weihealtares an JUPITER DOLICHENUS, der auch im benachbarten Kastell LOCUS FELICIS (Mauer an der Url) verehrt wurde und dessen Tempelschatzfund die Antikensammlung des kunsthist. Museums in Wien ziert, wissen wir, dass diese Gottheit auch hier verehrt wurde. Der Kult galt der Verehrung der orientalischen Lichtgottheit des (JUPITER-) BAAL, wie er in der syrischen Stadt Doliche beheimatet war.
Der zweite Kult in den Auxiliarkastellen war der MITHRAS-KULT. Diese Gottheit wurde in kleinen natürlichen oder künstlichen Höhlen außerhalb der Lager verehrt. Am Ende der bei den Achsstraßen beschriebenen Fortsetzung außerhalb östlich des Kastells befindet sich in dem kleinen Grundstück (Parz. 79/2) am Ende eine flache Höhle im Sandsteinfelsen. Noch im Jahre 1966 gingen die älteren Frauen des Ortes im Mai dorthin, um bei einer dort befindlichen (wahrscheinlich gotischen) Marien-Statue zu beten.
Die Statue wurde von der nachmaligen Besitzerin des Grundstückes einem Händler verkauft und ist seither verschollen. Es hat den Anschein, als ob dieser zuletzt christliche Verehrungsplatz ein Mithrasheiligtum als Vorgänger hatte.
RÖMER und ROMANISIERTE, die es sich leisten konnten, errichteten zu Lebzeiten für sich und ihre Angehörigen in der Nähe des Heiligtums oder an der Straße dorthin prunkvolle Begräbnisstätten (GRABSTELEN). Die Grabsteine, die durch ihre Reliefdarstellung auf die Mythologie als auch den Beruf Bezug nahmen, umschlossen Schrifttafeln, die den Namen des Errichters, seinen Dienstgrad oder Titel bzw. seinen Truppenkörper, aber auch den Todestag oder das Alter angaben. Schon zu Lebzeiten erfreute sich der Errichter über seinen schönen Grabstein.
Im Römermuseum ist eine stattliche Anzahl von hervorragenden Grabsteinen aufbewahrt.
Immer wieder kommen neue Grabsteinfragmente zutage: Zuletzt hat der Tischlermeister A. Patzalt bei Umbauarbeiten in seinem Haus (Marplatz 25) 1988 einen Teil eines röm. Stelengiebels mit Reliefdarstellung (Medusenhaupt, Adler und Delphin) gefunden.
Ob auch zwei 1989 aufgefundene Säulenfundamentsteine aus Wallseer Sandstein zu einem Grabmal oder zu dem röm. Heiligtum auf dem Platze der Kirche in Sindelburg gehört haben, ist noch nicht geklärt.
Im ersten bis dritten Jahrhundert gab es Brandbestattung. Die Urne mit dem Leichenbrand wurde durch Ziegel oder Steine abgedeckt und eingegraben. Ab dem 4. Jahrhundert gibt es die Körperbestattung. Bei den 23 Bestattungen einfacher Leute auf der Grundparzelle 244/3 handelt es sich um sogenannte Steinsetzungsgräber. Rund um den Bestatteten wurde ein Kranz von Geröllsteinen gelegt. Einem Kind gab man sein liebstes Spielzeug, ein kleines handgeformtes Töpfchen, mit.
Begräbnisstätten wurden auf einem minderwertigen Grundstück (sumpfiges Gelände) angelegt. Daraus wäre zu schließen, dass man weitere Begräbnisplätze ebenfalls in sumpfingem Gelände suchen müßte. Es käme in Wallsee nur ein Gebiet nördlich der Kirche in Frage. Eine URNE mit der Brandbestattung eines Kindes zeigt das Römermuseum (Parz. 43/1, KG Ried, Autohaus Fürlinger).

CHRISTENTUM
Der Fund eines großen Ziegels mit FISCHZEICHNUNG könnte anzeigen, dass im Kastellbereich schon früh einzelne Christen lebten, denn die Fischdarstellung als Symbol für Christentum ist für das 1. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen.
Nach der staatlichen Anerkennung und Gleichstellung des Christentums mit den anderen Religionen unter CONSTANTIN dem GROSSEN bestand die Möglichkeit der öffentlichen Betätigung des Christentums. Mit einfachen Mitteln wurde vermutlich an der Stelle des vorchristlichen Heiligtums am Platze der heutigen Kirche Sindelburg eine christliche Taufkirche eingerichtet. Das Patrozinium „Hl. Johannes der Täufer“ ist ein weiteres Indiz dafür!

ENDZEIT
Die Provinz NORICUM, zu der unsere Heimat Niederösterreich gehörte, war eine jener Provinzen, die am stärksten und nachhaltigsten von röm. Zivilisation, röm. Kultur und röm. Geist geprägt = romanisiert waren. Nach dem Verlust Rätiens und der vertraglichen Überlassung Pannoniens an die Hunnen, war NORICUM der letzte Teil des römischen Weltreiches nördlich der Alpen.
Dieser Teil (NORICUM RIPENSE) wurde zur Verkürzung der Verteidigungslinien und der Ausschaltung der langen Wege auf Befehl ODOAKERS, eines Königs von Italien germanischer Abstammung, im Jahre 488 planmäßig, kampflos geräumt!
Odoaker fühlte sich, nachdem er den letzten weströmischen jugendlichen Kaiser ROMULUS AUGUSTULUS (476) gestürzt hatte, als GERMANISCH WESTRÖMISCHER HERRSCHER. Die von ihm angeordnete Räumung war ein Teil seiner Bemühungen, das röm. Reich zu erhalten.
Militär, Beamtenschaft und die mit den Dienstleistungen für das Heer und die Verwaltung betrauten Spezialisten, z.B. Ärzte, Baumeister usw., aber auch Arbeiter der großen Waffenschmiede und Schildfabrik von LAURIACHUM (Enns), mußten nach Italien übersiedeln. Viele Grundbesitzer, die oft auch wichtige Posten in der röm. Provinzialverwaltung bekleidet hatten, schlossen sich dem Rückzug, bei dem auch die sterbl. Überreste des Hl.Severin mitgenommen wurden, freiwillig an.
Das Kastell ADJUVENSE in Wallsee gehörte dem mächtigen IMPERIUM ROMANUM (röm. Weltreich) durch fünf Jahrhunderte als wichtige Grenzfeste am DONAULIMES an und hat seine Funktion bis zu seiner endgültigen Aufgabe und Räumung erfüllt.

NACHWORT
Mit dem Abzug der beamteten Römer wurde wohl die Provinz NORICUM aufgegeben, aber der römische Einfluß war nicht zu Ende, denn der größte Teil der ansässigen Bevölkerung, Romanen und Romanisierte blieben hier. Sie haben bei uns bis in die Gegenwart nachwirkende Spuren hinterlassen!
Im Bauwesen blieb uns wenigstens mittelbar das gesamte bautechnische Wissen eines Weltreiches erhalten. Der Festungs- und Hausbau machte uns mit dem Kalkmörtel als dauerhafte Verbindung für Stein und den neuen Baustoff Ziegel bekannt. Holz wurde nicht nur als Dachstuhl, sondern auch für Treppen, Fußböden, Türen und Fenster und als Mauerverstärkung, Deckenträger und Säulen verwendet. Schon damals wurden Baubeschläge, Angeln, Schlösser und Griffe sowie Haken und Nägel aus Eisen und Bronze in den Hausbau eingeführt. Die Verwendung von Glas (wohl noch nicht so durchsichtig wie heute) als Fensterscheiben war eine Selbstverständlichkeit.
Wasserleitungen in Holz-, Stein-, Ton- oder Blei- Rohren und ausgeklügelte Kanalsysteme sorgten neben Latrinen für Hygiene und damit höhere Lebensqualität.
Darüber hinaus wurde auch unsere Landschaft durch röm. Einfluß bleibend umgestaltet. Nicht nur durch die Wein- und Obstkulturen, sondern auch durch die Dreifelderwirtschaft und Almwirtschaft wurde unser Landschaftsbild geprägt.
Die in schwierigem Gelände meisterhaft angelegten Straßen (VIA STRATA) erschlossen unsere Heimat.
Die Römerzeit beeinflußte nachhaltig (durch 15 Generationen) Sitten und Gebräuche, Denkweisen und Rechtsempfinden, Finanzwesen und Handel. Ja sogar die Form der Unterhaltung und der Speisezettel weisen ihre Züge auf.
Die Universalsprache LATEIN, wohl mit der lokalen Sprache gemischt (norisch- pannonischer Provinzialdialekt), diente weiterhin für politische Verhandlungen, Warenaustausch und nachbarliche Verständigung. Deshalb finden sich in unserer Sprache noch so viele lateinische Lehnwörter wie Fenster, Straße, Pforte, Fabrik usw.
SOWOHL IM ORTSGEBIET ALS AUCH IM RÖMERMUSEUM HAT MAN REICHLICH GELEGENHEIT DEN MATERIELLEN SPUREN DIESER ZEIT NACHZUSPÜREN!

Kurzfassung
Nach langjährigen Beobachtungen und eingehenden Untersuchungen seit dem Jahre 1966 konnte an verschiedenen Stellen im Ortsgebiet von Wallsee der Nachweis von mächtigen antiken Mauern erbracht werden. In annähernder Deckung mit dem Bereich des Marktes Wallsee im Osten und Westen begrenzt von den beiden „Hintergassen“ – Schulgasse und alte Postgasse lag ein mächtiges KASTELL. Mit seinen Abmessungen von 160 x 200 Metern hat es einer Truppe von 1000 Soldaten Platz geboten.
Die Festungsmauern dieses Kastells waren imponierend. In den Boden, in antiker Zeit, wurden mächtige Grundfesten von 2,6 m Dicke und 1 m Tiefe ausgehoben und mit sehr fest vermauerten Bruchsteinmauern ausgefüllt. Darauf wurde aufgehendes Bruchsteinmauerwerk aufgesetzt, 6 –8 Meter hoch und auf der Mauerkrone noch 1,5 m breit. Die Vermauerung erfolgte mit Heißkalk, der offensichtlich aus eingesammeltem Donauschotter gebrannt worden war. Darauf weisen zahlreich gefundene, mit Glas überzogene quarzhältige Geröllsteine hin.
In der Mitte des Kastells, zum Teil unter dem Rathaus und zum Teil östlich davon liegend, konnten die PRINCIPIA, das Kommandogebäude mit dem Fahnenheiligtum, beobachtet werden. Viel von dem Mauerwerk wurde in nachrömischer Zeit als Baumaterial verwendet. In den alten Häusern von Wallsee kommen bei Abbruch oder Umbauten immer wieder solche Zeugnisse zutage.
Im Laufe von etwa 2000 Jahren hat sich über den erhaltenen Resten im Bereich des Marktes eine Schicht von 120 cm Abbraum angesammelt, sodass der Eindruck entsteht, als seine die römischen Anlagen „versunken“. Außerhalb des Ortes liegen die römischen Schichten nur 60 bis 80 cm unter dem gegenwärtigen Geländeniveau.
Wie bei allen Limeskastellen gibt es auch in Wallsee verschiedene Bauperioden.
Schon im 1. Jahrhundert (letztes Drittel) errichtete eine 1000 Mann starke kaiserliche Spezialeinheit: Cohors PRima AUgusta BrRitonum – Truppenstempel C.PR.AU.BR – aus Britannien das erste Holz- Erdekastell (160 x 200 Meter). Es sollte den wichtigen west- östlichen DONAUHANDELSWEG schützen. Nach den MARKOMANNEINFÄLLEN bei denen die Holz- Erdefestungen zerstört worden waren, baute wieder eine 1000 Mann zählende kaiserlich- britannische Einheit: Cohors I. (prima) Aelia Britonum die Festung als Steinkastell auf (Ende des 2. Jhdts. – Truppenstempel CIAB ).
In VALENTIANISCHER Zeit wurden an den restaurierten Mauern vorspringende Türme angebaut um gegen die neue Angriffstaktiken gewappnet zu sein.
In der Spätantike (4./5. Jhdt.) als der Truppenbeleg drastisch vermindert wurde, erbaute die dann schon aus dem Orient stammende Truppe im Lagerbereich ein KLEINKASTELL IM Ausmaß von 26 x 28 Meter im Südosteck der Festung. In dieser Zeit nennt die antike Literatur (notitia dignitatun) auch eine LIBURNARIER- Einheit (Strompolizei auf kleinen Booten).
Eine Arbeit des verstorbenen Erzherzogs Theodor Salvator Habsburg-Lothringen versucht nachzuweisen, dass dieses Limeskastell, das in der antiken Literatur angeführte ADJUVENSE war, was vielleicht so viel wie „das auf dem Berg gelegene“ bedeutet.
Im Kastell Adjuvense stand zuletzt eine Liburnarier-Einheit, eine Legionstruppe, Untereinheit der II. italienischen Legion, die mit kleinen Booten, sogenannten Liburen, ausgerüstet war.
Südlich des Kastells, also südlich des Markplatzes bis etwa zur Straße nach Ardagger, erstreckte sich das Lagerdorf, die Zivilsiedlung. Darin wohnten die zivilen Handwerker und die Familien der Soldaten. Einzelne von ihnen erbauten sich sogar gemauerte Häuser, die Verputz, Ziegelrhombenpflaster und Bodenheizung hatten. Dass die romanisierte Bevölkerung des Lagerdorfes einen bescheidenen Wohlstand entwickelte, geht aus den zahlreich gefundenen, schön verzierten Tongefäßfragmenten (Sigillatafragmenten) hervor.
Der Fund eines großen Ziegels mit Fischzeichnung könnte anzeigen, dass im Kastellbereich Christen lebten. Die Prunkgräber der gehobenen Bevölkerungsschicht (Offiziere, Kaufleute, Handwerker und deren Angehörige) befanden sich südlich des Marktes an der Ausfalls-Straße. Teile dieser Grabdenkmäler mit bildlichen Darstellungen aus dem Leben der Verstorbenen und der antiken Mytologie befinden sich und im Römermuseum. Am Westhang unterhalb des Marktes konnten auf Privatgrund 23 Bestattungen einfacher Leute festgestellt werden.
Im Norden des Marktes befand sich in antiker Zeit eine ausgedehnte Ziegelei mit Ziegellagerplatz, die sowohl von einem Besitzer Petronius als auch vom röm. Soldaten betrieben wurde (Grundstück oberhalb des Hauses Feischl).
Eine einmalige Entdeckung gelang im Jahre 1978. Bei Aushubarbeiten für das Arztwohnhaus kam ein röm. Keller mit entsprechendem Keramikfundmaterial (Wirtschafts-Keramik) zum Vorschein, der den sicheren Schluß zuläßt, dass in antiker Zeit ein wohlhabender Mann einen milchverarbeitenden Betrieb geführt hat. Wie würden heute Molkerei dazu sagen (bisher einmalig am Limes). Der Mann war so wohlhabend, dass er sich neben einer Bodenheizung drei verschiedene Arten von Terrazzoböden, Wandmalerei und eine schön gearbeitete Marmorstatue (eine Gottheit darstellend) leisten konnte.
Das Kastell Adjuvense in Wallsee gehörte dem mächtigen röm. Reich als wichtige Grenzfeste am Donaulimes an und hat seine geschichtliche Funktion bis zu seiner endgültigen Aufgabe im 5.Jh. nach Ch. erfüllt.